Visual Poe ist ein Programm, das automatisiert zwölf Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe ausliest und visualisiert, um zu Erkenntnissen zu kommen, die über klassische Textanalysen hinausgehen. Es wurde als praktischer Teil meiner Masterarbeit an der FH Vorarlberg im Studiengang InterMedia umgesetzt. Die Visualisierung soll eine neue Art des Forschens in der Literaturwissenschaft ermöglichen, und neue Ansichten und Zugänge zu einem Text bieten. Das Projekt zeigt auf, welchen Beitrag eine visuelle Methode zur Forschung in der Literaturwissenschaft leisten kann und wie durch die Verknüpfung mehrerer Disziplinen eine neue Lösung zu einem wissenschaftlichen Problem geboten werden kann.
Die Kurzgeschichten werden automatisch ausgelesen und analysiert. Das Programm sucht nach "Beziehungen" von Ich-Erzähler und Charakteren und nach "Zuständen" des Ich-Erzählers.
Die Beziehungen und Zustände werden nach Emotion untersucht. Jede Emotion ist farbig kodiert. Kommen in den Satzteilen Worte vor, die Emotion vermitteln, wie z.B. "fear", wird diese Emotion farbig dargestellt.
Die Ergebnisse der Analyse werden in Form einer interaktiven Visualisierung begreifbar gemacht. Der Ich-Erzähler befindet sich in der Mitte, die anderen Charaktere sind kreisförmig um ihn herum angeordnet. Die verbindenden Linien stellen die Beziehungen dar.
Die zwölf visualisierten Kurzgeschichten haben vor allem eines gemeinsam: Die für das 19. Jahrhundert typische Ich-Erzählperspektive. Der Ich-Erzähler ist ein häufig aufgegriffenes Thema in Textanalysen über Poe, insbesondere da der Erzähler in den Kurzgeschichten zumeist als ‚unzuverlässig’ gilt. Eine weitere Eigenheit in Poe’s Werken ist, dass sich viele Themen und Motive wiederholen und bestimmte Handlungsstränge immer wieder aufgegriffen werden. Die Visualisierung greift diese Tatsachen auf und zeigt die Ich-Erzähler und seine Beziehungen zu den anderen Charakteren, und wie sich sein Gefühlszustand im Laufe der Geschichten und im Zusammenhang mit den Charakteren verändert.
Der Ich-Erzähler wird im Zentrum dargestellt, und die Charaktere aller Geschichten kreisförmig um ihn herum. Die Charaktere sind als Formen (Quadrat für weiblich, Kreis für männlich) repräsentiert, die Beziehungen werden durch die verbindenden Kurven dargestellt. Emotionen werden anhand der farbigen Kodierung kommuniziert. Der Gefühlszustand des Erzählers wird dargestellt, indem seine Figur in der entsprechenden Farbe coloriert wird. Weiters werden auch die Beziehungen nach Emotionen untersucht und entsprechend gefärbt.
Das Programm hat zwei wesentliche Darstellungsfunktionen: Die Gesamt-Ansicht und die Detail-Ansicht. Die Gesamt-Ansicht zeigt eine Übersicht über die Charaktere, die Beziehungen, und den Gefühlszustand des Erzählers. Die Legende auf der rechten Screenhälfte erklärt den Gefühlszustand des Erzählers genauer: Es werden die fünf häufigsten Emotionen aufgelistet, in ihrer zugeordneten Farbe. Der/die Nutzer/in kann in der Gesamt-Ansicht Charaktere an- und abwählen, um zu sehen, wie sich dadurch die häufigste Emotion des Erzählers verändert. Anhand eines Sliders kann man durch die Absätze der Geschichten navigieren und erhält in der Detail-Ansicht genauere Informationen zu den Beziehungen und Gefühlszuständen.
als Desktop-Applikation für MAC OS X
"Visual Poe" entstand als praktischer Teil meiner Masterarbeit "Text Visuals" an der FH Vorarlberg im Studiengang InterMedia.
www.fhv.at